*Spuren – Brüche – Zeit*
Was war, ist nicht vorbei.
Aber es hat sich verändert.
Ich arbeite mit Schichten.
Nicht, weil sie schön sind –
sondern, weil sie erinnern.
Ein Riss ist keine Störung.
Er ist ein Teil der Geschichte.
Ich glaube nicht an klare Flächen.
Ich glaube an das,
was sich abgelagert hat.
Was in einem Bild erscheint,
hat vielleicht nur kurz existiert –
aber es hat Spuren hinterlassen.
Erinnerung ist kein Bild.
Sie ist ein Abdruck.
*Erde – Fläche – Licht – Rückkehr*
Ich arbeite mit dem, was vor mir liegt:
Fläche, Erde, Licht.
Nicht als Abbild,
sondern als Einfluss.
Moos auf Stein.
Wasser in Rissen.
Luft auf rauer Haut.
Ich bin zurück in Hamm.
Aber nicht aus Nostalgie.
Sondern wegen der Nähe.
Zur Erde.
Zur Familie.
Zur Fläche, die nicht vergessen hat.
Die Natur in meinen Bildern ist keine Idylle.
Sie ist Struktur.
Sie ist Widerstand.
Sie ist gegenüber.
Ich schaue nicht auf Natur –
ich sehe, wie sie arbeitet.
Still.
Beharrlich.
In mir.
Im Bild.
*Freskotechnik – Materialwahl – Prozess*
Ich male nicht.
Ich baue auf.
Ich reiße auf.
Ich warte.
Ich arbeite mit Sumpfkalk, Marmormehl, Pigment.
Mit Beize, Tusche, Hämatit.
Mit Gaze, mit Graphit.
Mit Zeit.
Ich habe das Handwerk gelernt –
aber ich verlasse es in jeder Schicht.
Ein Bild entsteht nicht auf einmal.
Es widerspricht sich.
Und irgendwann:
es hält.
Der Prozess ist nicht planbar.
Aber er hat ein Gedächtnis.
Was sich zeigt,
zeigt sich nicht für immer.
Aber es war da.
Und das genügt.
Ich male nicht, um zu erklären.
Ich beginne nicht mit einem Plan. Ich beginne mit Fläche, mit Material, mit Zeit.
Was entsteht, entsteht im Prozess. Nicht auf Knopfdruck – sondern durch Schichten, Unterbrechungen, Wiederholungen. Manche Spuren bleiben. Andere verschwinden. Ich greife nicht ein, um etwas zu korrigieren. Ich arbeite weiter, bis das Bild beginnt, zu antworten.
Ein Titel taucht oft früh auf. Nicht als Etikett – eher wie ein Orientierungspunkt. Ein Wort, das sich zeigt, bevor ich es suche. Ein Satzanfang. Ein Impuls.
Die Beschreibung kommt später. Sie ist kein Nachtrag, sondern Teil der Arbeit. Ich schreibe nicht, um das Bild zu deuten. Ich schreibe, um es zu begleiten – damit etwas spürbar bleibt von dem, was im Entstehen war.
Ich arbeite mit Pigment, Kalk, Marmormehl. Mit Schichten, die Risse zulassen. Mit Stoffen, die nicht glatt werden wollen. Mit Materialien, die sich erinnern.
Ich glaube nicht an laute Bilder. Ich vertraue auf das, was in der Stille sichtbar wird.
Was ich tue, hat mit Entscheidung zu tun. Aber mehr noch, mit Aufmerksamkeit. Mit einem Zustand, der nicht sagt: „So ist es.“ Sondern: „Schau hin. Vielleicht ist da etwas.“
Ulf Obermann-Löwenstein, geboren 1961 in Hamm in eine kreative Familie – schon seine Mutter und ihre Geschwister malten –, ist nach fast drei Jahrzehnten wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der Kunstschule Musebrink in Essen unter der Leitung von Gabriele Musebrink. Dort lernte er die „Intuitive Prozessmalerei“ – eine von der mittelalterlichen Freskomalerei inspirierte Methode, die ihn bis heute prägt. Nach Stationen in München, Hattingen und langer Schaffensphase im Ruhrgebiet, insbesondere als künstlerischer Assistent in Essen, entschied er sich im Mai 2024 für die Rückkehr nach Hamm. „Der Schritt von Essen nach Hamm war richtig“, sagt er lächelnd. Sein neues Atelier in der Galerie der Disziplinen nennt er einen „Ruhepol“, der ihm Kreativität und Nähe zur Familie ermöglicht.
Zwischen der Ausstellung in der Justizakademie Recklinghausen (2012) und der verstärkten öffentlichen Präsenz ab 2023 lag Flus Schwerpunkt ganz bewusst auf dem eigenen künstlerischen Experiment und dem Aufbau seines Ateliers in Essen. In dieser Zeit fanden zahlreiche Vernissagen und Präsentationen im eigenen Atelier statt, die vor allem Kunstinteressierten aus der Region und befreundeten Künstler*innen offenstanden. Flu beteiligte sich außerdem jährlich am „Tag des offenen Ateliers“ in Essen, wo er Einblick in laufende Werkprozesse, Materialexperimente und neue Bildzyklen gab. Diese Phase war geprägt von intensiver Recherche und Experimentierfreude:
„Mir war es wichtiger, die Tiefe der Materialien, Techniken und Prozesse auszuloten, als mich ständig auf Ausstellungen und Außenwirkung zu konzentrieren. Die Arbeit im Atelier war für mich ein Labor – ein geschützter Raum, um neue Wege zu gehen, ohne Erwartungsdruck.“
Erst nach dieser Reifephase und dem Umzug nach Hamm öffnete sich Flu wieder verstärkt dem öffentlichen Ausstellungsgeschehen.
- Essen (2013–2024): Industrielle Themen, Prozessmalerei, experimentelle Materialschichtungen; Dominanz des Zufalls, dunklere Farbpalette, Sedimente und Brüche
- Hamm (ab 2024): Rückbesinnung auf Stille, Konzentration, Resonanz und bewusste Komposition; Atelier in der Galerie der Disziplinen als „Ruhepol“ und Ort innerer Sammlung; Serie „Geometrien der Stille“ als Beispiel für gezielt steuernde Abstraktion
- Materialien: Sumpfkalk, Marmormehl, Naturpigmente, Tusche, Schellack, Graphit, Hämatit, Beize, Gaze, Notenfragmente
- Technik: Schichtweises Auftragen und Abtragen, Kratzen, Ritzen, bewusste geometrische Setzungen, gezielte Alterungsprozesse
- Eigene Farben: „Ich verwende nur Farben aus losen Pigmenten, so kann ich den Farbeffekt selbst steuern.“
- Leitidee: Material als Erinnerungsträger – das Bild als Spur, nicht bloße Oberfläche. „Risse und Verluste werden integriert.“